Die Klimakrise, mit ihren zahlreichen bedrohlichen Auswirkungen rund um den Globus, ist die größte Herausforderung unserer Zeit. Insofern war es wichtig und richtig, dass Premierminister Xavier Bettel diesem Thema in seiner Rede zur Lage der Nation einen großen Platz eingeräumt hat!
Wer sich allerdings erwartet hätte, der Staatsminister würde folglich auch Lösungsvorschläge oder zumindest neue Handlungspisten für die Regierungspolitik der nächsten Jahre aufzeigen, der wurde bitter enttäuscht. Das Führen aus einer Krise sieht definitiv anders aus und konsequentes, sofortiges Handeln ist dringender erforderlich als jemals zuvor.
Das Pariser Klimaschutzabkommen hat das Ziel klar definiert: bis spätestens Mitte dieses Jahrhunderts muss unsere Gesellschaft den Ausstieg aus der Verwendung fossiler Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas geschafft haben. Luxemburg gehört weiterhin zu den weltweiten Spitzenreitern, was den Pro-Kopf-Ausstoß an klimaschädigenden Treibhausgasen anbelangt und ist deutlich von dem entfernt, was aus Sicht des Klimaschutzes notwendig ist. Die Abhängigkeit des Landes von fossilen Brennstoffen stellt darüber hinaus ein ökonomisches und geopolitisches Risiko dar.
Erfreulicherweise hat sich der Staatsminister am 8. Oktober in seiner Rede zur Lage der Nation erneut zum Pariser Klima-Abkommen von 2015, zu den Erkenntnissen des UNO-Weltklimarats (IPCC-Berichte) sowie zur Verantwortung Luxemburgs im Klimaschutz bekannt. Auch bekräftigte Xavier Bettel nochmals die Ziele, zu denen sich Luxemburg auf internationaler und europäischer Ebene verpflichtet hat: bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 50-55% reduziert und der Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 23-25% erhöht werden.
Wie dies allerdings erreicht werden soll, darüber schwieg sich der Staatsminister aus, respektive er wiederholte Altbekanntes und Unzureichendes. Er verpasste somit die Gelegenheit, endlich eine inhaltliche Debatte anzustoßen über die notwendigen nationalen Klimaschutzmaßnahmen, ihre sozialen und finanziellen Folgen und deren Begleitmaßnahmen, sowie über die Chancen, die auch in einem radikalen Umbau unserer Energie-, Transport- und Wirtschaftssysteme liegen.
Angesichts dieses Stillstands in der politischen Debatte möchte Votum Klima hier nochmals seine immer noch aktuellen Forderungen aus dem Wahlkampf 2018 in verkürzter Form wiederholen:
- Luxemburg braucht schnellstens ein effizientes und effektives Klimaschutzgesetz, das die nationalen Ziele, die Aktionspläne und Maßnahmen sowie die Verantwortungen innerhalb der Regierung klar regelt. Ein solches Gesetz muss verbindliche sektorielle Reduktionsziele mit konkreten Schritten und Instrumenten für die wichtigsten Emissionsbereiche Transport, Industrie, Wohnen und Landwirtschaft festlegen.
- Um eine sektorenübergreifende Klimapolitik erfolgreich betreiben zu können, braucht Luxemburg eine geeignete Governance-Struktur – sowohl innerhalb der Regierung als auch für die Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Akteuren.
Kohärenz, Transparenz, die Einbindung aller Stakeholder sowie eine klare Zuteilung der Verantwortlichkeiten sind dabei wichtige Grundlagen. In allen Ministerien und Verwaltungen müssen Kompetenzpools für klimarelevante Themenbereiche entstehen.
- Um den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden, muss es zu einer drastischen Reduktion des Energieverbrauchs kommen. Nur so kann gewährleistet werden, dass der verbleibende Energieverbrauch zu 100% CO2-frei abgedeckt wird. Die Regierung muss einerseits gezielte und sozial gerecht gestaltete Beratungs- und Förderprogramme auflegen.
Um das Nutzerverhalten klimafreundlich zu beeinflussen braucht es andererseits auch weitere Hebel. Luxemburg wird nicht um die Einführung einer CO2-Steuer auf allen fossilen Energieträgern herumkommen. Je eher diese CO2-Steuer präzisiert wird (Höhe der Steuer, Staffelung in der Zeit, Verwendung der Einnahmen usw.), umso leichter wird es Haushalten und Betrieben die gewünschte Umstellung bei Energieverbrauch und Energiemix fallen. Auch Konsumgüter welche nicht bilanzierte Emissionen (z.B. Agrarprodukte die Importe von Viehfutter aus Übersee fordern) müssen in eine sozialgerechte CO2-Steuer miteingeschlossen werden.
- Luxemburgs Mobilitätsproblem – und damit der Ausstoß von Treibhausgasen – wächst ungebremst weiter. Auf den Straßen dominiert immer noch der motorisierte Individualverkehr. Votum Klima fordert die Regierung auf, den öffentlichen Transport durch eine Priorisierung im Staatshaushalt noch konsequenter auszubauen und dies auf Kosten des Individualverkehrs.
Gleichzeitig müssen grundlegende Fehlentwicklungen im Transportsektor bekämpft werden: Stichwort Tanktourismus und Treibstoffexport. Diese sind verantwortlich für über die Hälfte der nationalen Treibhausgas-Emissionen, sie führen zu Umwegen großer Fahrzeugströme und erhöhen die Attraktivität des (über-)motorisierten Individualverkehrs gegenüber dem öffentlichen Transport und der sanften Mobilität.
- Steigende Energiekosten oder aufwändige Klimaschutzmaßnahmen können für Menschen, denen wenig finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, eine erhebliche Belastung darstellen. Parallel zu den Überlegungen über eine sozialgerechte CO2-Steuer müssen also Konzepte zur sozialverträglichen Förderung von Energiesparmaßnahmen entwickelt werden, um Energiearmut zu bekämpfen. Bestehende Gesetze und Förderprogramme, wie das Mietgesetz, die Wärmeschutzverordnung, Abschreibungsmöglichkeiten usw. sind dahingehend zu überarbeiten.
- Die staatlichen Fonds, allen voran der Pensionsfonds und der Zukunftsfonds, müssen die legale Grundlage für eine wirklich nachhaltige und transparente Investitionspolitik bekommen. Investitionen in klimaschädigende Firmen (z.B. aus der Kohle-, Erdöl/Erdgas-, Palmölindustrie usw.) müssen ebenso aus den Investment-Portfolios ausgeschlossen werden wie Investitionen in Atomenergiekonzerne oder in Unternehmen, die Menschenrechte missachten.
- Wachstum ist nach wie vor das leitende Prinzip des wirtschaftlichen Handelns, auch in Luxemburg. Weder die letzte Steuerreform noch der Rifkin-Prozess haben dazu geführt, dass für Klima- und Umweltschutz kontraproduktiv wirkende finanzielle Staatshilfen abgebaut oder ökologische Alternativen gefördert wurden.
Votum Klima fordert die Regierung auf, endlich eine nachhaltige Steuerreform in die Wege zu leiten, die neben der Verteuerung von CO2-Emissionen ebenfalls dem exzessiven Ressourcenverbrauch (Wasser, Luft, Boden …) entgegensteuert sowie umwelt- und klimaschädliche Subventionen abschafft, bei gleichzeitigen positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.
- Votum Klima fordert, dass auch die Landwirtschaft in Luxemburg ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Dazu gehört nicht nur, dass der Anteil der Biolandwirtschaft auf mindestens 20% bis 2025 erhöht werden muss, sondern dass auch eine bodengebundene Tierhaltung in unserer Landwirtschaft mit einer nachhaltigen Lebensmittelautarkie anzustreben ist.
Kurzfristig wäre es sicherlich empfehlenswert, anlässlich der anstehenden Haushaltsdebatten einige Sofortmaßnahmen für 2020 anzukündigen, auch um zu zeigen, dass diese Koalition es noch ernst meint mit ihrer Klimaschutzpolitik. Dazu gehören u.a. eine weitere Anhebung der Akzisen auf Benzin und Diesel verbunden mit sozialen Kompensationsmassnahmen, eine Reform der Autosteuer für Neuzulassungen auf Basis eines realistischen CO2-Messverfahrens, die Limitierung des Steuervorteils bei Leasing-Autos auf wirklich emissionsarme Modelle sowie eine erkennbare Umorientierung des Pensionsfonds weg von klimaschädigenden und menschenrechtsverletzenden Investitionen Richtung zukunftsfördernde Unternehmen und Projekte.
All dies darf jetzt nicht länger aufgeschoben werden, sondern es ist höchste Zeit, diese vielfältigen Baustellen konsequent und ganzheitlich anzugehen. Darüber hinaus bleibt Votum Klima weiterhin der Meinung, dass um eine fundamentale Debatte, wie eine Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik von morgen aussehen kann, die nicht auf der Wachstumsprämisse basiert, kein Weg vorbeiführt.