20.04.2015

Wer für Klimaschutz und gegen Atomkraft ist, darf nicht in Exxon und Areva investieren !

20. April 2015 – Anlässlich der Sitzung der parlamentarischen Commission du Travail, de l’Emploi et de la Sécurité sociale am 22. April machten Vertreter der Plattform Votum Klima (1) erneut darauf aufmerksam, dass der luxemburgische Pensionsfonds („Fonds de Compensation“) bedeutende Summen in Unternehmen investiert, die in den Sektoren fossile Energien und Atomenergie tätig sind (2). Votum Klima fordert, dass kurzfristig keine weiteren Investitionen in Fossil- und Atomenergie vorgenommen und mittelfristig ein Umschichten des Portfolios zu Gunsten nachhaltiger Investitionen in die Wege geleitet werden muss. Die Organisationen appellieren an die politisch Verantwortlichen, öffentliche Gelder, z.B. in den Ausbau der erneuerbaren Energien, zu investieren. Die Parlamentskommission wird am Mittwoch über die Investitionsstrategie und die aktuelle Entwicklung des Fonds de Compensation beraten.

Votum Klima hatte im Rahmen des Global Divestment Day am 11. Februar mit einer Aktion auf der Place Clairefontaine gegen öffentliche Investitionen in fossile Energien und in die Atomenergie demonstriert.

„Einer Untersuchung des Geschäftsberichts von 2013 zufolge investiert der Fonds de Compensation über Aktien und Obligationen mehr als eine halbe Milliarde Euro alleine in die Erdölbranche. Dies entspricht rund 4,4% des Gesamtvolumens des FDCs. Hinzu kommen etwa 7 Millionen Euro, die in Unternehmen der französischen Nuklearindustrie investiert werden, sowie Investitionen in Konzerne der Kohlebranche“, so Martina Holbach von Greenpeace Luxemburg. „Der FDC hält Beteiligungen an 75 der 100 größten Ölfirmen, darunter Shell, Gazprom und ExxonMobil. Mit seiner Investitionspolitik fördert der FDC Konzerne, die die Umwelt und das Klima zerstören sowie Menschenrechte missachten.“

Votum Klima hatte während der Aktion die Gelegenheit genutzt, um dem für den Fonds de Compensation (FDC) zuständigen Minister Romain Schneider persönlich ihr Anliegen zu erläutern. Minister Schneider erklärte im Gespräch mit Votum Klima, dass die Regierung eine Diskussion darüber führen würde, in welche Sektoren die Gelder des Fonds de Compensation in Zukunft investiert werden sollten, damit die generelle Kohärenz zwischen der Investitionspolitik des FDC und der Regierungspolitiken, z.B. in den Bereichen Klimaschutz und Entwicklung, gewährleistet werden kann.

Votum Klima hat mittlerweile erhebliche Bedenken an dieser lobenswerten Absichtserklärung und im Rahmen der heutigen Pressekonferenz Stellung auf die Antwort von Minister Schneider auf eine parlamentarische Anfrage (3) bezogen. Die Antwort des Ministers enthält keine klaren Äußerungen bezüglich der zukünftigen Investitionspolitik des FDC im Bereich der fossilen und nuklearen Energien. Statt dessen heißt es lediglich, dass die Regierung die Investitionspolitik des FDC, die auf eine Risikominimierung abzielt, gutheißen würde, und dass der FDC in keine Unternehmen investieren würde, welche die von Luxemburg unterzeichneten internationalen Konventionen nicht respektierten, dies insbesondere in den Bereichen Umwelt, soziale Verantwortung, Arbeitsrecht und Menschenrechte.

„Wenn die Politik noch glaubwürdig sein will, hat „Business as usual“ ausgedient“, kommentiert Paul Polfer vom Mouvement Ecologique. „Wir befürchten, dass sich die Regierung in der Frage des Divestment aus den fossilen und nuklearen Energien ihrer Verantwortung entziehen will. Zum einen ist die Behauptung, der FDC würde in keine Unternehmen investieren, die die internationalen Konventionen nicht respektieren würden, zumindest fragwürdig (4). Zum anderen ist es dringend erforderlich, dass die Regierung ihre Ausschlussliste erweitert, auch vor allem aus Gründen der politischen Kohärenz. Nichts hindert die Regierung daran, die Ausschlussliste um die Firmen zu erweitern, die z.B. im Bereich der fossilen und nuklearen Energien tätig sind.“

Dies ist nicht nur aufgrund der potentiellen Gefahren der fossilen Industrie und der Atomindustrie geboten, sondern gerade auch mit Hinblick auf die Minimisierung des finanziellen Risikos. Ein konkretes Beispiel sind die enormen Verluste, die der FDC bei den Aktien des Erdölkonzerns BP nach der Katastrophe im Golf von Mexiko einstecken musste.

Divestment bedeutet zum Beispiel, dass öffentliche Institutionen ihre Investitionspolitik für die ihnen anvertrauten Gelder überdenken, mit dem Ziel, sie nachhaltig anzulegen. Zahlreiche Beispiele aus der ganzen Welt belegen, dass institutionelle Anleger wie Universitäten, Städte, Regionen, kirchliche Institutionen und Stiftungen ihrer Verantwortung für den Klimaschutz gerecht werden wollen und aus fossilen Energien de-investieren (5).

Dafür sprechen auch wirtschaftliche Gründe: 80 Prozent der erschließbaren Kohlenstoffreserven (Kohle, Erdöl, Erdgas, Schiefergas, Ölsande) sind aufgrund des internationalen Klimaschutzes mit dem Risiko behaftet, dass sie zu wertlosen Vermögenswerten („stranded assets“) werden. Um die globale Erwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen, müssen 80 Prozent der fossilen Brennstoffreserven im Boden bleiben. Deshalb sind Investitionen in fossile Brennstoffe mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden, da sie niemals ausgebeutet werden dürfen. Unternehmen, die im Bereich fossile Brennstoffe agieren, gelten derzeit als stark überbewertet, das Risiko einer „Kohlenstoffblase“ wird zunehmend von der Finanzwelt anerkannt. Öffentliche Einrichtungen verstoßen folglich durch Investitionen in hochriskante Kohlenstoff-Vermögenswerte gegen ihre Fürsorgepflicht.

Weitere Informationen:

Martina Holbach, Koordination Votum Klima, Tel. 54 62 52 24

Paul Polfer, Mouvement Ecologique, Tel. 43 90 30 26

(1) Die Plattform Votum Klima, gegründet im Jahr 2009, wird von folgenden 26 luxemburgischen Nichtregierungsorganisationen getragen: Aide à l’Enfance de l’Inde, Aktioun Öffentlechen Transport, Association de Soutien aux Travailleurs lmmigrés (ASTI), Action Solidarité Tiers Monde (ASTM), ATTAC Luxembourg, Bio-Lëtzebuerg, Bridderlech Deelen, Caritas Luxembourg, Centre for Ecological Learning Luxembourg (CELL), Cercle de Coopération, Conférence Générale de la Jeunesse Luxembourgeoise (CGJL), Eglise Catholique à Luxembourg, etika, Eurosolar Lëtzebuerg, Fairtrade Lëtzebuerg, Frères des Hommes, Greenpeace Luxembourg, Handicap lnternational, Kommission Justitia et Pax, Lëtzebuerger Velos-lnitiativ, Mouvement Ecologique, natur&ëmwelt, SOS Faim Luxembourg, UNICEF, Vegan Society Luxembourg

(2) basierend auf den Zahlen von 2013 (FDC Annual Report including audited financial statements as of 31 December 2013):

– Mindestens 500 Millionen Euro werden als Bestandteil der Portfolios von SICAV Aktien und SICAV Obligationen in die Erdölwirtschaft investiert (das sind rund 4,4% des Gesamtvolumens), erfasst werden die Kategorien « Oil and gas producers » und « Oil and gas services »

– die Kohlewirtschaft ist nicht gesondert erfasst, sie ist in einer Kategorie « mining » mit anderen Bergbaufirmen zusammengefasst

– Indirekte Investitionen werden nicht erfasst: z.B. ein hoher Anteil der Investitionen gehen in den Bankensektor, der seinerseits in die fossile Branche investiert.

– hinzu kommen etwa 7 Millionen Euro an Investitionen in die französische Nuklearindustrie

– von den 100 größten Erdölfirmen hält der FDC Aktien von 78 Firmen (basierend auf der Liste http://gofossilfree.org/top-200/)

– von den 100 größten Kohlefirmen hält der FDC Aktien von 48 Firmen (basierend auf der Liste von http://gofossilfree.org/top-200/)

(3) Réponse à la question parlementaire n° 910, 12.2.2015

(4) Resolution der Plenarsitzung des Klima‐Bündnis Lëtzebuerg zum staatlichen Pensionsfonds, 10. November 2014

(5) http://gofossilfree.org/commitments/