Wir dürfen nicht mehr weitermachen wie bisher! Jahrelang haben wir als Votum Klima Politiker*innen vor den langfristigen Folgen der Klimakrise gewarnt. Heute jedoch sollte es nicht mehr notwendig sein, zu wiederholen, was uns die Wissenschaft bereits seit langem klarmacht. Vor allem nicht, in Bezug auf die wenigen Jahre, die zur Kursänderung bleiben, um einen weiteren und damit fatalen Temperaturanstieg und Biodiversitätsverlust zu vermeiden.
Unterdessen hat die Covid-19-Krise unsere Gesellschaften zeitweise zu einem Stillstand gebracht, unser Wirtschaftssystem durchgeschüttelt und uns gezeigt, wie fragil unser Lebensstil und entbehrlich mancher Konsum ist. Selbstverständlichkeiten, auf denen unsere Leben vorher ruhten, sind in Frage gestellt. Diese Krise so schnell wie möglich zu überwinden und dabei die Sicherheit aller durch die Bereitstellung der notwendigen Mittel zu gewährleisten, besonders für die Schwächsten unter uns, ist weiterhin absolute Priorität.
Jedoch macht Covid-19 der Klimakrise kein Ende: Aufzeichnungen der NASA zeigen, dass der Monat März 2020 der zweit heißeste war, seitdem Aufzeichnungen gemacht werden! Im Falle von Covid-19 ist unklar, ob es auch zukünftig eine Gefahr darstellen wird oder nicht, die Gefahr der Klimakrise dagegen ist jedoch unbestreitbar weiterhin real.
Die Bekanntmachung des “Green Deals” seitens der EU hat uns deshalb erfreut, auch wenn wir ihn kritisch aufgenommen haben. Erfreut, da er dringend notwendige politische Signale setzt, kritisch, weil er einseitig auf grüne Technologien setzt und so das Wachstumsdogma fortbestehen lässt – der Plan sieht nämlich fatalerweise keine grundsätzliche Richtungsänderung vor. Zugespitzt ausgedrückt: Kohlekraftwerke werden durch Windräder, Dieselfahrzeuge durch E-Autos ersetzt und es wird digitalisiert. Und doch: der Green Deal DARF NICHT von der Covid-19-Krise in Frage gestellt werden! Aus klimatischer, ökologischer und sozialer Sicht ist er unabdingbar, wenn auch in seiner jetzigen Form zu einseitig, konsum- und effizienzorientiert und damit nicht der Paradigmenwechsel, der wirklich gebraucht wird. An dieser Stelle fordern wir unsere europäischen wie nationalen Politiker*innen auf, sich von Industrieverbänden und deren Lobbyist*innen nicht erpressen zu lassen, denn eine rückwärtsgewandte Wirtschafts-, und hier insbesondere Energie-, und Steuerpolitik, gefährdet schlichtweg unser aller Überleben. Die Covid-Krise kann und darf, kein Vorwand gegen notwendige transformative Politiken sein!
Was lernen wir durch die Covid-Pandemie? Erstens: “Wenn es sein muss: kann man!”. Im Angesicht der Gefahr durch Covid-19 waren Regierungen fähig, weitläufige Quarantänen zu verhängen, neue Verhaltensregeln zu bestimmen sowie verschiedene wirtschaftliche Aktivitäten auszusetzen, um ihre Bürger*innen zu schützen. Was muss sein? Materiell gesehen: Die ABSOLUTE REDUKTION des Ressourcen- und Energieeinsatzes im globalen Norden – also auch in Luxemburg, kombiniert mit einer schnellen Transformation zu mehr Kreislaufwirtschaft. Sozialer Imperativ ist es Ungleichheit zu stoppen, welche heute weltweit unvorstellbare Züge annimmt, sonst gibt es keine gerechte Transformation. Nur so, und das muss ebenfalls sein, können wir unsere Wirtschaft und Gesellschaft resilienter machen gegen externe Schocks.
Dies bedeutet zweitens einen “Neuanfang”, der zwingend auf den Achsen eines sozial gerechten, suffizienten und nicht mehr eurozentristischen Green Deals beruht. Eines Wohlstandsmodells also, das nicht mehr auf solchen globalen Lieferketten basiert, in denen die Produktion dort stattfindet, wo die sozialen und ökologischen Standards am niedrigsten sind. Menschliche Entwicklung ist möglich, ohne wie bisher Artenreichtum und Lebensräume zu zerstören, um so obendrein Pandemien zu begünstigen. Dazu sind verschiedene Instrumente nötig, wie die Einführung neuer Preissignale, um den absoluten Verbrauch von Ressourcen und Energie signifikant zu reduzieren, kombiniert mit einem ambitionierten Plan für Energieeffizienz, mit massiven Investitionen in erneuerbare Energien und Speicherkapazität, sowie einem strengen Verursacherprinzip, bei gleichzeitiger Stärkung demokratischer Anteilhabe an Staat und Wirtschaft.
Als Votum Klima verlangen wir daher von der luxemburgischen Regierung nicht nur den Klimaschutz weiterzuverfolgen, sondern ihn zusätzlich vor allem in seiner Gerechtigkeits- und Suffizienzkomponente zu stärken. Luxemburg muss die europäischen Bemühungen das Klima zu retten, nicht nur stützen, sondern mit positiven Beispielen untermauern und so proaktiv auf das Fehlen insbesondere der Gerechtigkeits- und Suffizienzkomponente aufmerksam machen. Luxemburg muss im kleinen Rahmen zeigen, dass es ohne soziale Härten durch Austeritätsmaßnahmen möglich ist, Klimaschutz zu betreiben, ohne nur auf Effizienz zu setzen. Gelingen kann dies mit einer transparenten Governance im Rahmen der demokratischen Prozesse und Instanzen, einem rechtsverbindlichen Klimacheck für neue Gesetze, klaren Pfaden der Besteuerung von klima- und sozialschädlichem Wirtschaften sowie dem Aufbau zukunftsweisender, resilienter und lokaler Wirtschaftskreisläufe – wie wir das bereits im Zusammenhang der Erstellung des nationalen Energie- und Klimaplans eingefordert haben.
Während viele Kommentator*innen und die Mehrheit der Zivilgesellschaft eine Globalisierung mit Maß und Klimagerechtigkeit, letztlich die sozial-ökologische Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft fordern, stimmt die luxemburgische Regierungsmehrheit für die Ratifikation weiterer Freihandelsabkommen! Und dies wo wir alle wissen, dass der Zusatz “Frei” eine Beschönigung dafür ist, dass Unternehmen uneingeschränkte Profite machen können und Gesellschaft sowie Ökosysteme Verluste realisieren müssen.
“System change, not climate change!” So die unmissverständliche Forderung von “United for Climate Justice”, einem breiten zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss von Jugendbewegungen sowie Gewerkschaften, Umweltverbänden und Menschenrechtsorganisationen, der sich auch die Plattform Votum Klima angeschlossen hat. Heißt das nicht: Mehr Erneuerbare Energien gerade jetzt? Mehr (An-)Teilhabe an Staat und Wirtschaft? Die Stärkung öffentlicher Leistungen zur Daseinsvorsorge und mehr Transparenz? Gerade Jetzt?! Klare Positionen und Strategien sind gefordert, damit wir eine Zukunft haben, daher: SYSTEM CHANGE, NOT CLIMATE CHANGE!
Kontakt:
Alexander Feldmann a.feldmann@etika.lu
Christophe Murroccu christophe.murroccu@oeko.lu
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